Hast du manchmal auch das Gefühl, das bestimmt grad nur bei dir alles doof ist und es den anderen allen gut geht? Ich war am späten Morgen des 1. August (ein Feiertag, die Schweiz hat dann Geburtstag) nur noch ein Häufchen Elend. Der Tag, an welchem so viele - bestimmt alle!- Leute gemütlich zusammensitzen, festen, geniessen, ausgelassen sind. Nika zitterte und hechelte bereits wegen der Feuerwerks-Knallerei beim Morgenmarsch. Kater Mauro sass aus Angst davor schon im Keller in seinem Versteck. Die beiden taten mir leid und ich war schlecht gelaunt. Aber nicht nur deshalb. So hatte ich den Text zur Ladenschliessung seit zwei Tagen bereit und schob immer noch auf, ihn zu posten. Die Belastung wurde immer grösser. Was, wenn ich es einfach niemandem erzählen und alle im Oktober vor vollendete Tatsachen stellen würde? Ich wollte mit niemandem darüber reden. Ich wollte keine Reaktionen lesen. Schon gar nicht die doofen. Ich wollte nicht vor anderen Leuten zu weinen beginnen.
Nachdem es wegen meiner schlimmen Sieda-Laune und ein paar Mama-Teenie-Missverständnissen bei uns zu Hause am frühen Nachmittag fürchterlicher geknallt hatte als am Feuerwerkhimmel, setzten wir uns ins Auto für einen Ausflug zum Schluchsee im nahen Deutschland. Das Ziel war ein netter Spaziergang und Aufhalt am See ohne Knallerei, dafür mit entspanntem Nika.
Auf der stündigen Autofahrt hielt ich meinen blöden Kummer nicht mehr aus, liess die Tränen unter meiner Sonnenbrille übers Gesicht kullern und sendete den vorbereiteten Beitrag ab. Auf Facebook, Homepage, Instagram. Es war also raus- und wir parkten am Schluchsee.
Der jüngere Sohn, welcher mit musste und sich unglaublich unfair behandelt fühlte, schlurfte - zum ersten aber bestimmt nicht letzten Mal - 500 m hinter uns zur Wirtschaft. Ich hatte keinen Empfang und konnte nicht sehen, wie die Reaktionen ausgefallen sind. Was für ein Glück. Ich wollte es gar nicht.
Ungewöhnlich still und wortkarg sass ich am hübschen Holztisch mitten in der Natur. Mein Mann schien seinen Wurstsalat auch nicht sonderlich zu geniessen, er ärgerte sich noch immer über den sturen - woher er das wohl hat? - Sohnemann, welcher endlich angeschlendert kam. Da wir die warme Küche natürlich verpasst hatten und der Kartoffelsalat aus war, senkte sich seine Laune weiterhin. Lustlos schleckte er an einem Vanille-Cornet. Ganz kurz hatte ich Netz und warf den Blick auf ein paar Reaktionen. Wow. Wie nett die waren. Und verständnisvoll. Ja würdigend! Gar nicht anklagend. Ich begann zu begreifen, dass man meine Entscheidung und mich verstand. Und entspannte mich.
Mitttlerweile war bei unserem Sohn der Zucker durch den Magen ins Hirn geklettert und die Laune verbesserte sich. Nebeneinander schaukelten wir auf dem Spielplatz und Nika, der - der Arme - meine Launen immer sehr genau spiegelt, legte sich entspannt neben den Stuhl von Papa, welcher sich mithilfe des Biers auch schon bisschen gelassener zeigte (also Papa, nicht der Stuhl). Den Rückweg - oh Wunder - nahmen wir gemeinsam und zaghaft plaudernd unter die Füsse, um später das abendliche Seeufer sogar noch ein bisschen zu geniessen.
Zurück in der Schweiz fühlte sich alles plötzlich leichter an. Über alle Kanäle wurde ich mit Reaktionen überschwemmt. Ausschliesslich verständnisvollen Reaktionen. Enttäuschung, Traurigkeit aber vor allem so viel Liebe. So viele gute Gedanken. So viel Sinn. So viel Zuspruch.
Plötzlich entwickelte sich Energie fürs Aufräumen im Kopf und in der grossen Produktion in Zürich. Nicht schnell genug konnte es jetzt gehen. Nachdem ich unter süsser seelischer Unterstützung des jüngeren Sohnes bereits am Montagnachmittag meine Silikonformen aussortiert, geordnet und nach Siedahausen geholt hatte, war am Freitag der riesige Rest dran. So überzeugt, wie ich endlich war und mit euren Beiträgen im Kopf konnte ich radikal räumen - und Kisten packen und anschreiben, von welchen ich auch zu Hause noch wissen würde, was wo drin ist. Irgendwie war es richtig schön, alle meine Formen heimzuholen...
Am Abend stieg ich erschöpft, aber richtig glücklich und erlöst mit meinem Mann und Nika in den Zug nach Zürich. Das Abendessen in meinem Lieblings-Veggie-Restaurant mit Spaziergang durch die Stadt und am See hatte ich mir schon ewig gewünscht und an diesem Tag endlich erfüllt.
Samstagmorgen erwachte ich das erste mal ohne so richtig schlimm niederschlagende Gedanken. Am Nachmittag traf ich Niklas (letztes Bild) zu einer ersten Online-Shop-Sitzung, bei welcher wir dank seinen Recherchen und seinem Wissen richtig gut vorwärts kamen. Wir bestellten Etikettendrucker und sinnvolles Verpackungsmaterial.
Jeden Tag nähere ich mich nun ein Stück Siedas Wurzeln. Sieda ist nicht weg, ich höre auch nicht auf damit. Nie im Leben. Nur DAS nicht. Ich schliesse den Laden und kehre lediglich zur Basis zurück. Ich werde endlich wieder Zeit finden für das, was ich am liebsten mache: handwerken, malen, schreiben. Alles ohne Druck. Und was dann passiert, steht in den Sternen...
Ich danke dir unendlich fest für deine Anteilnahme, den Zuspruch und deine Freude an Sieda ❤️.
Deine Simone